Beitrag zur Galerie der persönlichen Erfahrung von Natalie Gabrysch

BtE-Referentin in Nordrhein-Westfalen

Was Bildung trifft Entwicklung (BtE) für mich bedeutet? Sich auszutauschen, voneinander lernen, von eigenen Erfahrungen zu berichten und zugleich durch unerwartete Fragen selber zum Nachdenken angeregt zu werden, immer kritisch die eigenen Privilegien zu reflektieren.

Die Arbeit mit BtE zeigt mir auch, wie wichtig der ständige Perspektivwechsel ist. Ein Perspektivwechsel in Bezug auf Nachhaltigkeit, die als selbstverständlich angenommene soziale Absicherung in Deutschland und Gerechtigkeit im internationalen Kontext.

Mit 18 Jahren habe ich einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Ecuador gemacht, habe mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet und bin 365 Tage in eine ganz neue Kultur eingetaucht. Nach dieser Zeit habe ich in meinem Abschlussbericht geschrieben: „Zurück bleibt ein Land, in dem es neben viel Armut auch viel Reichtum gibt“.

Das „Zurückbleiben“ und das Verblassen von Erfahrungen waren Aspekte, die mich nach meinem Freiwilligendienst gestört und mich dazu motiviert haben, mich bei BtE zu bewerben.

Ich hatte vor meiner Abreise aus Ecuador geschrieben, dass es für mich sicherlich eine große Umstellung werden würde, mit all dem, was ich erlebt habe, wieder nach Deutschland zurückzukommen, die positiven Dinge festzuhalten und weiterzugeben und zugleich zu akzeptieren, wie stark sich die Kultur und Mentalität beider Länder unterscheidet. Und genau das begeistert mich bei der Bildungsarbeit: das Weitertragen von Erfahrungen.

Bei der ersten Stunde der wöchentlichen AG „Globales Lernen“ in einer vierten Klasse in Düsseldorf habe ich für jede Person ein Foto aus Ecuador mitgebracht: die Flagge, die vier Klimazonen, die Tier- und Artenvielfalt, wichtige Ressourcen wie Erdöl, Blumen, Bananen und Kakao. Das anschließende Tafelbild mit all den Fotos hat uns gezeigt, wie vielfältig das Land ist und es war unglaublich schön zu sehen, wie gespannt die Klasse meinen Geschichten zugehört und mich mit Fragen gelöchert hat. Ich habe das Gefühl, so viel anschaulicher vermitteln zu können, wie erschreckend es ist, dass Kakaobohnen neben Bananen mitunter die wichtigsten Exportmittel in Ecuador darstellen und die meiste im Handel verfügbare Schokolade dort doch importiert ist. Es wirkt irgendwie authentischer, wenn ich dann mit den Schülern und Schülerinnen eine Fantasiereise auf die Kakaoplantage mache, wir gemeinsam durch verschiedene Stationen die einzelnen Rohstoffe und Produktionsschritte bis hin zu der fertigen Tafel Schokolade kennenlernen und uns mit dem Thema fairer Handel auseinandersetzen.

Für mich macht BtE vor allem die vielen kleinen AHA-Momente aus.

Einmal hat mich zum Beispiel ein zehnjähriger Junge gefragt, warum es überhaupt Geld geben müsse und dass unsere Welt doch viel harmonischer und schöner wäre, wenn wir alle unsere Gegenstände stattdessen tauschen würden. Solche Gedanken und Fragen, unvoreingenommene Ideal- und Weltvorstellungen berühren mich.

Genauso war es für mich aber auch ein AHA-Moment, mit Schülerinnen und Schülern der Oberstufe zum Thema „Nachhaltigkeit und Tourismus“ zu diskutieren, ihre konstruktiven Gedanken zu hören und von ihren geplanten nachhaltigen Reisen inspiriert zu werden. Das war für mich ein AHA-Moment, weil es mir auf positive Art und Weise gezeigt hat, wie präsent die Relevanz des Themas Nachhaltigkeit in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler ist.

Es ist immer wieder besonders, wenn man spürt, dass die Bildungsarbeit Schülerinnen und Schüler nachhaltig prägt. Ein Schüler aus der wöchentlichen AG hat mir zum Beispiel ganz stolz erzählt, dass er nach der Stunde zum Thema „Lebensmittelverschwendung“ mal bei der Bäckerei nachgefragt hat, was dort mit den nicht verkauften Backwaren passiert. Es freut mich, wenn sich Schülerinnen und Schüler über die Schule hinaus weiter mit den besprochenen Themen auseinandersetzen, sich mit ihrem Umfeld austauschen und die Bildungsarbeit quasi einen Domino-Effekt hat.

Aber wenn ich ehrlich bin, bringt eigentlich jede Veranstaltung immer irgendeinen kleinen unerwarteten AHA-Moment mit sich: Durch die vorherige Auseinandersetzung mit der Vielfalt an möglichen Themen und Methoden und allein schon, weil man besonders bei einer Bildungsveranstaltung mit einer neuen Gruppe oft nie genau weiß, welche Interessen die Teilnehmenden haben und was sie an Vorwissen mitbringen.

Wenn ich merke, dass Personen auf einmal ganz neugierig und begeistert mitarbeiten, obwohl sie in der anfänglichen Vorstellungsrunde vielleicht noch wenig Interesse an dem Projekttag gezeigt haben …

… dann ist DAS für mich wahrscheinlich der größte AHA-Moment und motiviert mich für die zukünftige Bildungsarbeit bei und mit BtE!